Überwälzung der laufenden Erhaltungspflichten

Überwälzung der laufenden Erhaltungspflichten

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Überwälzung der laufenden Erhaltungs-, und soweit erforderlich, Erneuerungspflichten seitens des Mieters hinsichtlich sämtlicher mitgemieteter Einrichtungsgegenstände, Geräte und Anlagen unzulässig.

Neue Klauselentscheidung des OGH: In einer neuen Klauselentscheidung hat der OGH wieder Vertragsklauseln zu Lasten der Mieter als unwirksam aufgehoben

Verwendete Klausel (Klausel 16):

Unter Hinweis auf § 10 Abs 3 Z 1 MRG vereinbaren die Streitteile die laufenden Erhaltungs-, und soweit erforderlich, Erneuerungspflichten seitens des Mieters hinsichtlich sämtlicher mitgemieteter Einrichtungsgegenstände, Geräte und Anlagen.

Der OGH zu Klausel 16:

1. Im Nicht- oder Teilanwendungsbereich des MRG bestimmt sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB. Danach hat der Vermieter den Bestandgegenstand im vertraglich vereinbarten und den bedungenen Gebrauch ermöglichenden Zustand zu übergeben und während der gesamten Vertragszeit in diesem ursprünglich geschuldeten Zustand zu erhalten. Zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters steht dem Mieter gemäß § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB ein gesetzliches Zinsminderungsrecht zur Verfügung, auf welches bei unbeweglichen Sachen im Voraus nicht verzichtet werden kann (dritter Satz). Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist außerhalb zwingender Normen der Mietrechtsgesetzgebung dispositiv (RIS-Justiz RS0021233).

2. Im Vollanwendungsbereich des MRG besteht dagegen nach § 3 MRG nur eine eingeschränkte, wenngleich zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters. § 3 MRG verpflichtet den Vermieter zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses und insoweit auch des Mietgegenstands, als entweder ein ernster Schaden des Hauses zu beheben oder eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung zu beseitigen ist. Die Erhaltung ist von § 3 MRG vollständig erfasst. Eine subsidiäre Geltung des § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB hinsichtlich Erhaltungspflichten ist aufgrund der Systematik und des Wortlauts der Bestimmung des § 3 MRG auszuschließen. § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB gilt aber – als von § 3 MRG unberührt – auch im Vollanwendungsbereich des MRG, sodass der Vermieter dem Mieter für die gesamte Vertragsdauer grundsätzlich die Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs schuldet (5 Ob 17/09z; vgl Vonkilch in wobl 2009, 209 [212]). Umgekehrt hat der Mieter gemäß § 8 Abs 1 MRG den Bestandgegenstand zu warten und, soweit es sich nicht um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handelt, so instand zu halten, dass dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwächst. Im Vollanwendungsbereich des MRG existiert daher ein so genannter „Graubereich“, in dem weder der Vermieter erhaltungs- noch der Mieter instandhaltungspflichtig ist. In diesen Graubereich fällt die Erhaltung jener Geräte, die häufig Anlass zu Streit geben, wie etwa die nicht funktionierende Heizungstherme, der defekte Boiler oder das umstrittene Ausmalen des Mietgegenstands (vgl Pletzer in Zak 2009, 363 mwN).

3. In der „1. Klausel-Entscheidung“ 7 Ob 78/06f wurde (für den Teilanwendungsbereich des MRG) ausgesprochen, dass die Überwälzung von nach § 1096 Abs 1 S 1 ABGB in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallenden Maßnahmen auf den Mieter im Verbrauchergeschäft gegen § 9 KSchG verstoße und daher unzulässig sei. Im Vollanwendungsbereich ergebe sich diese Unzulässigkeit aus einer teilweisen Überschreitung des § 8 MRG.

In der „2. Klausel-Entscheidung“ 1 Ob 241/06g wurde die Unzulässigkeit der Überwälzungsvereinbarung (im Vollanwendungsbereich des MRG) mit dem darin gelegenen Ausschluss des Zinsminderungsanspruchs des Mieters nach § 1096 Abs 1 S 2 ABGB und somit ebenfalls mit einem Verstoß gegen § 9 Abs 1 KSchG begründet.

In jüngster Zeit rückte zunehmend § 879 Abs 3 ABGB in den Mittelpunkt des Interesses, wonach Klauseln in AGB und Formularverträgen, die nicht eine der beiden Hauptleistungen betreffen, unwirksam sind, wenn durch sie ein Teil gröblich benachteiligt wird. So qualifizierte etwa die – in einem Verbandsprozess ergangene – Entscheidung 6 Ob 81/09v eine Klausel, die den Mieter zur jährlichen
(nachweisbaren) Wartung einer Gas-Kombi-Therme verpflichtete, als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. In 6 Ob 104/09a setzte sich der Oberste Gerichtshof in einem Individualverfahren mit der Frage des Verstoßes einer Endausmalverpflichtung gegen § 879 Abs 3 ABGB 16 2 Ob 73/10i auseinander und bejahte eine gröbliche Benachteiligung des Mieters.

4. Auch im vorliegenden Fall ist daher – mit den Vorinstanzen – zu prüfen, ob die Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt. Die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung setzt voraus, dass sich die Erhaltungsvereinbarung auf eine Nebenleistung des Mieters/Vermieters bezieht. Die „1. Klauselentscheidung“ 7 Ob 78/06f bejahte dies, indem sie ausführte, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters Ausdruck seiner bestandrechtlichen Gewährleistungspflicht sei. Es entspricht auch der herrschenden Meinung, dass der Begriff der „Hauptleistung“ im gegebenen Zusammenhang eng zu verstehen ist (Krejci in Rummel, ABGB3 § 879 Rz 238;
4 Ob 112/04f; 6 Ob 104/09a).

In der Entscheidung 3 Ob 20/09a wurde offen gelassen, ob die Gebrauchsverschaffungspflicht des Vermieters gemäß § 1096 ABGB als primäre Leistungs- oder als Gewährleistungspflicht zu qualifizieren ist. In der Lehre wird zur Frage, ob die Erhaltungspflicht des Mieters/Vermieters Hauptleistung oder Nebenleistung ist, Unterschiedliches vertreten. So spricht sich etwa Riss (wobl 2007, 62 [71]) uA unter Berufung auf § 28 MRG für die Hauptleistungs-Variante aus, während Böhm (immolex 2007, 262 [270]) die Erhaltung als Gewährleistung sieht, weil die begriffliche Zuordnung nichts „hergebe“ und die ratio der Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB es erfordere, den Regelungskomplex der Nebenleistungen im gegebenen Zusammenhang sehr weit zu verstehen. Unter den Begriff „Hauptleistung“ seien nur jene Punkte zu subsumieren, die von der Willenseinigung umfasst sein müssten, damit der Vertrag nicht aufgrund Dissenses wegen Unbestimmtheit nichtig sei. Die so umschriebene Hauptleistung könne über andere Bestimmungen (zB §§ 879 Abs 2 Z 4, 934 ABGB; Mietzinsbeschränkungen) einer objektiven Äquivalenzkontrolle unterworfen werden und brauche daher nicht „doppelt“ inhaltskontrolliert zu werden. Dies lege es nahe, im gegebenen Zusammenhang die Grenze so zu ziehen, dass neben dem in Zahlen ausgedrückten Mietzins echte Dienstleistungen des Mieters, daneben aber auch inhaltlich bestimmte, von vornherein in Geld bewertbare und einem bestimmten Zeitraum zuordenbare Erhaltungspflichten als Hauptleistungen, die Überwälzung unbestimmter Erhaltungsarbeiten, bei denen das „Ob“, „Wann“ oder „Wieviel“ nicht feststehe, aber als Nebenbestimmungen zu qualifizieren seien. Auch Pletzer (bbl 2010, 131) spricht sich angesichts des traditionell engen Verständnisses der „Hauptleistungspflicht“ in § 879 Abs 3 ABGB für eine prinzipielle Anwendbarkeit dieser Norm auf die hier interessierenden Konstellationen aus.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach die Überwälzung unbestimmter Erhaltungsarbeiten als Nebenbestimmung und nicht als Hauptleistung zu qualifizieren ist. Klauseln, die – wie hier – das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen, fallen unter die Inhaltskontrolle iSd § 879 Abs 3 ABGB (vgl 4 Ob 112/04f mwN).

5. Es bleibt die Prüfung der „gröblichen Benachteiligung“. Ob eine gröbliche Benachteiligung vorliegt, hängt im Sinn eines beweglichen Systems einerseits vom Ausmaß der objektiven Äquivalenzstörung und andererseits vom Grad der „verdünnten Willensfreiheit“ des benachteiligten Vertragspartners ab, wobei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen und im Verbandsprozess die Klausel im kundenfeindlichsten Sinn auszulegen ist (Kolmasch in Schwimann, ABGB TaKomm § 879 Rz 21 mwN).

Die generelle Überwälzung der Erhaltung des Mietgegenstands auf den Mieter ist zweifellos als gröblich benachteiligend zu erachten. Eine weitgehend einseitige Abweichung vom dispositiven Recht, das für den „Durchschnittsfall“ eine ausgewogene, gerechte Rechtslage anstrebt, kann unter den besonderen Verhältnissen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die hier typischerweise bestehende „verdünnte Vertragsfreiheit“ des Kunden nicht toleriert werden (6 Ob 81/09v mwN). Auch Böhm (immolex 2007, 262 [271]) hält die Überwälzung der Erhaltung des gesamten Mietgegenstands mit allem Zubehör für „stets und jedenfalls“ gröblich benachteiligend (so auch Pletzer, bbl 2010, 131 [141]). Die von Riss (wobl 2007, 62 [71]) angemeldeten Zweifel an einer gröblichen Benachteiligung mögen im Einzelfall der konkreten Abwägung der beiderseitigen Interessen durchaus zutreffend sein, im – hier gegebenen – Verbandsprozess ist jedoch die generelle Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter, ohne dafür ein entsprechendes Äquivalent zu gewähren, als sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht (§ 1096 ABGB, §§ 3 und 8 MRG) zu qualifizieren. Die Klausel ist daher nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig, sodass die Prüfung, ob sie noch weitere Gesetzesbestimmungen verletzt, auf sich beruhen kann.

Verwendete Klausel (Klausel 17):

Diese Obliegenheit umfasst auch die entsprechenden Pflege- und Servicemaßnahmen im Zusammenhang mit der gesamten Wohnungsausstattung und somit auch der Therme. Darunter fällt unter anderem auch die Verpflichtung zur regelmäßigen Reinigung der Wohnung und der Fenster, der entsprechenden fachgerechten Behandlung der Böden und Fliesen, die Beseitigung geringfügiger Gebrauchsschäden (zB gesprungene Fliesen, beschädigte Sesselleisten, defekte und undichte Armaturen und Syphone, undichte Silikonfugen, klemmende Scharniere, etc).

Der OGH zu Klausel 17:

1. Zur Problematik der Ersatzklauseln siehe oben zu I.2.

2. Zur Frage der Zulässigkeit von „Überwälzungsvereinbarungen“ siehe die obigen
Ausführungen zu II.1.ff. Die durch die Klausel 17 – welche an Klausel 16 anknüpft – vorgenommene Konkretisierung der generellen Erhaltungs- und Wartungspflicht des Mieters (im Sinne einer umfassenden Überwälzung) vermag an der obigen Beurteilung nichts zu ändern, sondern – im Gegenteil – sie erhärtet den zu Klausel 16 gegebenen Befund einer groben Äquivalenzstörung iSd § 879 Abs 3 ABGB.

OGH 22.12.2010, 2 Ob 73/10i