Entzug von Licht oder Luft
News 0 KommentareDie Beklagte ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einer Fläche von ca 10 000 m2. Die Außengrenzen dieses Grundstückes wurden seit 1950 nach und nach mit Bäumen und Sträuchern als Sichtschutz bepflanzt. Es wurden auch Pappeln gepflanzt, die heute bis zu 30 m hoch sind. Dieses Grundstück ist durch eine Straße und einen Feldweg von den Grundstücken verschiedener Kläger getrennt. Diese Grundstücke befinden sich teilweise nahezu ganztägig und ganzjährig im Schatten.
Der OGH hat in einer Entscheidung zu § 364 Abs 3 ABGB einige praktisch bedeutsame Ausführungen getätigt bzw wiederholt.
Die Trennung der Grundstücke durch Straße oder Feldweg spielt keine Rolle. Nachbar nach diesen Bestimmungen ist jeder Eigentümer, der von Maßnahmen, die vom Grundstück der Beklagten ausgehen, betroffen wurde, und zwar ohne Unterschied, wie groß die Entfernung ist und welche Grundstücke dazwischen liegen.
Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden mittelbaren Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen (§ 364 Abs 2 ABGB).
Gemäß § 364 Abs 3 Satz 1 ABGB kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft („negative Immissionen“) insoweit untersagen, als diese das Maß des § 364 Abs 2 ABGB überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstückes führen.
Nach § 364 Abs 3 ABGB ist nur gravierender Entzug von Licht und Luft verboten ist, daher keine Abwehr sonstiger Gefahren nach dieser Bestimmung (etwa Gefahr wegbrechender Äste).
Dass Pflanzungen betroffen sind, die vor Inkrafttreten des § 364 Abs 3 ABGB gesetzt wurden, ist irrelevant. Eine derartige Einschränkung sieht das Gesetz nicht vor.
Die über einen längeren Zeitraum unbeanstandete Hinnahme durch den Beeinträchtigten macht eine negative Immission noch nicht zu einer ortsüblichen, weil eine Abwehr vor dem 1. 7. 2004 gar nicht möglich war.
Auf den Bewuchs kommt es nicht an, sondern nur auf die Ortsüblichkeit der Immission. Maßgeblich ist, ob das Maß der Beschattung ortsüblich ist.
Nach § 364 Abs 3 ABGB genügt eine bloß wesentliche Beeinträchtigung nicht, vielmehr muss die Beeinträchtigung der Benutzung „unzumutbar“ sein.
Die Beurteilung dieser Kriterien erfolgt im Einzelfall nach dem objektiven Beurteilungsmaßstab eines vernünftigen „Durchschnittsmenschen“ (daher keine Berücksichtigung besonderer Empfindlichkeiten).
Für die Beurteilung, ob eine negative Immission „unzumutbar“ ist, sind folgende Kriterien wesentlich:
– je ortsüblicher, desto weniger unzumutbar,
– Ausmaß und Lage der beeinträchtigten Fläche,
– welche konkrete Nutzungsmöglichkeit wird eingeschränkt oder unmöglich gemacht.
Unzumutbarkeit ist im Einzelfall umso eher verwirklicht, als zeitlich und räumlich überwiegend (über 50 %) kein (Sonnen-, Tages-)Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann.
Bei der Unzumutbarkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, ob die Bäume und anderen Pflanzen, die das Licht entziehen, zu einem Zeitpunkt gepflanzt wurden, zu dem ein Inkrafttreten einer Regelung, wie sie § 364 Abs 3 ABGB trifft, noch nicht absehbar war.
Es ist auch in Rechnung zu stellen, ob und in welchem Maß bei Bedachtnahme auf den (damals) bestehenden Zustand bei der Errichtung von Gebäuden Beeinträchtigungen vermieden werden konnten.
Der Verpflichtete muss die Störungsquelle auf eigene Kosten beseitigen , wobei es seinem Belieben überlassen ist, wie er dabei vorgeht.
Das Urteilsbegehren muss nicht jedenfalls die angestrebte Untersagung des Entzuges von Licht oder Luft durch ein bestimmtes, in der Natur jederzeit nachvollziehbares Maß bezeichnen. Das Gericht soll im Urteilsspruch erforderlichenfalls von Amts wegen den Umfang eines nicht mehr hinzunehmenden Entzuges von Licht oder Luft als Ergebnis seiner Interessenabwägung näher determinieren.