OGH zur Ausmalverpflichtung in Vertragsformblättern
News 0 KommentareHier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Aspekte dieser Entscheidung:
Die beiden „Klausel-Entscheidungen“ 7 Ob 78/06 f und 1 Ob 241/06 g (immolex 2007/103) betrafen jeweils Verbandsklagen. Darin sprach der OGH aus, dass die vertragliche Auferlegung von Erhaltungs-/Instandhaltungspflichten, die den Mieter nach der Gesetzeslage sonst nicht treffen, eine unzulässige Beschränkung von Gewährleistungsansprüchen (Zinsminderungsrecht nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB) bewirke und damit gegen § 9 Abs 1 KSchG verstoße.
In der 1. Klausel-Entscheidung 7 Ob 78/06 f wurde auch eine Klausel, wonach der Mietgegenstand bei Beendigung des Mietverhältnisses „aus welchem Grund auch immer im ordnungsgemäßen Zustand, das heißt wie beim Mietbeginn übernommen, jedenfalls neu ausgemalt, zurückzustellen“ sei, als unwirksam angesehen.
Demgegenüber sah der OGH in der eine einzeln ausgehandelte Vereinbarung betreffenden Entscheidung 10 Ob 79/07 a in einem Individualverfahren eine Verpflichtung, das Mietobjekt nach Beendigung des Mietvertrags in demselben Zustand (neue Malerei und neue Versiegelung des Bodens) zurückzustellen, für zulässig an. Begründet wurde dies damit, dass § 1109 ABGB dispositives Recht darstelle, sodass eine anderslautende Vereinbarung zulässig sei. Dies gelte im Vollanwendungsbereich des MRG jedenfalls soweit, als nicht Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 MRG betroffen seien. Eine Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB liege nicht vor.
Im der Entscheidung 6 Ob 104/09 a zugrundeliegenden Fall kommt der OGH zu folgendem Ergebnis:
Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Die wichtigste Fallgruppe sind Verschlechterungen der Rechtsposition des Vertragspartners des Verwenders von AGB durch Abweichungen vom dispositiven Recht.
Insbesondere kann eine Abweichung vom dispositiven Recht in Vertragsformblättern dann eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB sein, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung finden lässt.
Der Begriff der „Hauptleistung“ ist in diesem Zusammenhang nach hM eng zu verstehen. Damit sind etwa die in § 885 ABGB genannten „Hauptpunkte“ gemeint, also diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustandekommt.
Die „Ausmalverpflichtung“ bei Beendigung des Mietverhältnisses stellt idS jedenfalls keine Hauptleistung dar, sodass die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB im vorliegenden Fall anzuwenden ist.
Für die Anwendung des § 879 Abs 3 ABGB macht es keinen Unterschied, ob sich die Regelung in separaten AGB oder in Vertragsformblättern befindet. Auch der äußeren Form nach individuell gestaltete Vereinbarungen können in Wahrheit AGB beinhalten. In allen diesen Fällen liegt typischerweise eine besondere Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien vor, der § 879 Abs 3 ABGB Rechnung tragen will.
Gleiches gilt für vergleichbare Konstellationen wie die Verwendung einseitig vorformulierter individueller Vertragstexte, weil der unterlegene Partner sich hier in derselben Situation befindet wie bei Verwendung von AGB durch den strukturell überlegenen Partner.
Dass die im Mietvertrag enthaltene Endausmalverpflichtung dem dispositiven Recht widerspricht, kann keinem Zweifel unterliegen. Der Mieter hat die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch entstandene Abnützung des Bestandobjekts nach § 1109 ABGB nicht zu vertreten.
Aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Mieterschutzbestimmungen ist jedenfalls im Vollanwendungsbereich des MRG eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige Abweichung vom dispositiven Recht nicht zu erkennen, zumal die gewöhnliche Abnützung durch den Mietzins abgegolten ist und andererseits die durch das Ausmalen entstandene Werterhöhung ausschließlich dem Vermieter zugute kommt, der dann einen höheren Mietzins lukrieren kann.
Es besteht auch für eine Einschränkung auf Fälle, in denen der Mietzins „erheblich“ überschritten wird (vgl § 28 MRG), keine Grundlage.
OGH vom 18.09.2009, 6 Ob 104/09 a