Entscheidung zur Ausmal- und Versiegelungspflicht des Mieters
News 0 KommentareDie Vereinbarung einer derartigen Pflicht des Mieters ist auch im Vollanwendungsbereich des MRG zulässig, sofern keine Erhaltungsarbeit des Vermieters vorliegt.
Der Bestimmung des § 3 Abs 2 MRG lässt sich keine Verpflichtung des Vermieters entnehmen, ein Mietobjekt in regelmäßigen Abständen neu auszumalen.
Behauptet der Mieter nicht, dass er durch das Unterbleiben des Ausmalens in seinem Gebrauch beeinträchtigt gewesen ist, braucht auf die Frage, ob überhaupt eine solche Pflicht des Vermieters besteht – vorausgesetzt man würde die Anwendbarkeit des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB im Vollanwendungsbereich des MRG unterstellen – nicht eingegangen zu werden. Am Ende des Bestandverhältnisses können keine Zinsminderungsansprüche mehr entstehen.
Bei der Frage der Zulässigkeit einer Ausmal- und Versiegelungsvereinbarung bei Vertragsende ist daher auf § 1109 ABGB abzustellen.
Auch wenn der Mieter grundsätzlich nicht verpflichtet ist, ein Bestandobjekt neu ausgemalt zurückzustellen, lässt § 1109 ABGB auch im Vollanwendungsbereich des MRG derartige Vereinbarungen jedenfalls insoweit zu, als es nicht um Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 MRG geht.
OGH 9. 10. 2007, 10 Ob 79/07 a
Aus den Entscheidungsgründen:
Auch im Vollanwendungsbereich des MRG erachtete es die bisherige stRsp des OGH für zulässig, dem Mieter vertraglich Erhaltungs- und Instandhaltungspflichten aufzuerlegen, soweit nicht die in § 3 Abs 2 MRG genannten Arbeiten betroffen waren.
Dass den Vermieter keine Verpflichtung nach § 3 Abs 2 MRG trifft, ein Bestandobjekt neu auszumalen und neu zu versiegeln bezweifelt die beklagte Partei gar nicht.
Aber auch unter die dem Mieter nach § 8 Abs 1 Satz 2 MRG auferlegte Wartungs- und Instandhaltungspflicht lässt sich das Ausmalen und neu versiegeln nicht subsumieren: der Mieter hat den Mietgegenstand und die für ihn bestimmten Einrichtungen zu warten und (lediglich) insoweit Instand zu halten, dass dem Vermieter und den übrigen Mietern kein Nachteil erwächst.
Korrespondierend zu § 3 Abs 2 MRG umfasst die in § 8 Abs 1 Satz 2 MRG geregelte
Verpflichtung des Mieters nicht die Behebung ernster Schäden des Hauses und die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung.
Die hier zu beurteilende Ausmal- und Versiegelungspflicht betrifft keine Maßnahme, die eine Regelung im MRG erfahren hat.
Umstritten ist die Frage, ob in diesem „Graubereich“ zwischen § 8 Abs 1 Satz 2 MRG und § 3 Abs 2 MRG, § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB gilt, wonach der Vermieter verpflichtet ist, das Bestandstück auf eigene Kosten und brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten:
Nach einer Auffassung ist § 1096 ABGB Satz 1 ABGB im Vollanwendungsbereich des
MRG überhaupt nicht anzuwenden. In dem vom MRG nicht geregelten Bereich bestünden demnach weder Erhaltungspflichten des Vermieters noch des
Mieters.
Nach der ggt Auffassung gilt § 1096 Abs 2 Satz 1 ABGB auch im Vollanwendungsbereich, soweit nicht Arbeiten nach § 3 Abs 2 MRG oder nach § 8 Abs 1 Satz 2 MRG betroffen sind.
In der Rsp wird auch im Vollanwendungsbereich des MRG implizit überwiegend von einer Anwendbarkeit des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ausgegangen:
Das ergibt sich aus der Bezugnahme darauf, dass § 1096 ABGB dispositives Recht darstellt und davon abweichende Instandhaltungspflichten des Mieters zulässig vereinbart werden dürfen, soweit nicht Arbeiten nach § 3 Abs 2MRG betroffen sind.
Die in den Verbandsprozessen ergangenen „Klauselentscheidungen“ 7 Ob 78/06 f (den Teilanwendungsbereich des MRG betreffend) und 1 Ob 241/06 g (den Vollanwendungsbereich betreffend) stellen die Zulässigkeit entsprechender vertraglicher Vereinbarungen insb unter konsumentenschutzrechtlichen Aspekten in Frage:
Die vertragliche Auferlegung von Erhaltungs- /Instandhaltungspflichten, die den Mieter nach der Gesetzeslage sonst nicht treffen, bewirken eine unzulässige Beschränkung von Gewährleistungsansprüchen (Zinsminderungsrecht nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB) und verstoße damit gegen § 9 Abs 1 KSchG.
Der „Klauselentscheidungen“ folgten zahlreiche literarische Stellungnahmen.
Überwiegend als ungeklärt wurde die Frage bezeichnet, ob auch außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG die vertragliche Auferlegung von Erhaltungs-/Instandhaltungspflichten entgegen der bisherigen, von der hL gebilligten Rsp unzulässig sei, weil auch der in § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB geregelte Zinsminderungsanspruch unverzichtbar gestaltet ist.
Betont wurde ferner, dass die E 1 Ob 241/06 g die bereits erwähnte umstrittene Frage nicht beantwortet, ob im Vollanwendungsbereich des MRG den Vermieter für Maßnahmen, die weder seiner zwingenden Erhaltungspflicht nach § 3 Abs 2 MRG noch der Instandhaltungs-/Wartungspflicht des Mieters nach § 8 Abs 1 Satz 2 MRG unterliegen, überhaupt selbst eine – nach der bisherigen Rsp jedenfalls abdingbare Erhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB trifft.
Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen erübrigt sich hier aber aus folgenden Überlegungen:
Das KSchG findet auf den Geschäftsraummietvertrag der Beklagten-GmbH keine Anwen-dung.
Zu beurteilen ist nur die Zulässigkeit jener mietvertraglichen Bestimmung, die eine Verpflichtung der Bekl festlegt, das Objekt nach Beendigung des Mietvertrags neu ausgemalt und neu versiegelt zurückzustellen. Zu diesem Zeitpunkt können keine Zinsminderungsansprüche entstehen. Die Frage, ob die Auferlegung dieser Verpflichtung einen Gewährleistungsausschluss bewirken könnte, stellt sich nicht.
Es muss daher auch nicht näher darauf eingegangen werden, ob und inwieweit – selbst wenn man die Geltung des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB auch im Vollanwendungsbereich des MRG unterstellt – den Vermieter während aufrechten Mietvertrags überhaupt eine Verpflichtung trifft, bloße Abnutzungserscheinungen an bei Mietbeginn frisch ausgemalten Wänden und einem frisch versiegelten Boden zu beheben.
Dass im konkreten Fall während der bloß 3-jährigen Bestanddauer ein Ausmalen und/oder Neuversiegeln erforderlich gewesen wäre und die Nichtvornahme zu Gebrauchsbeeinträchtigungen der Mieterin führte, wurde auch gar nicht behauptet.
Anzuknüpfen ist vielmehr an § 1109 Satz 1 ABGB, wonach der Bestandnehmer die Bestandsache nach Beendigung des Bestandverhältnisses „dem etwa errichtetem Inventarium gem oder doch in dem Zustand, in welchem er es übernommen hat“, zurückzustellen hat. Nach der Rsp muss der Bestandnehmer jedoch nicht für die durch den vertragsgemäßen Gebrauch bewirkte Abnutzung des Bestandgegenstandes aufkommen.
Grundsätzlich ist hiermit der Mieter nicht verpflichtet, ein Bestandobjekt neu ausgemalt oder neu versiegelt zurückzustellen.
§ 1109 ABGB stellt allerdings dispositives Recht dar, sodass eine anders lautende Vereinbarung zulässig ist.
Das gilt im Vollanwendungsbereich des MRG jedenfalls soweit, als nicht Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 MRG betroffen sind.
So wurde in der E 7 Ob 594/93 (= SZ 66/182), die ebenfalls den Vollanwendungsbereich des MRG betraf, ausdrücklich eine Vereinbarung, die den Mieter nach Mietvertragsende zum neu Ausmalen verpflichtete, für zulässig erachtet.
Der Hinweis der Bekl auf eine dadurch bewirkte Bereicherung des Klägers lässt außer Acht, dass eine Bereicherung schon begrifflich nicht in Betracht kommt, wenn die Vermögensverschiebung durch eine vertragliche Vereinbarung gedeckt ist.
Auch aus der Entscheidung 7 Ob 78/06 f (= JBl 2007, 181) lässt sich eine generelle Unzulässigkeit der Übernahme einer Ausmal-/Versiegelungspflicht des Mieters nicht ableiten:
Die dort zu beurteilende Klausel 32 lautete wie folgt:
„Der Mietgegenstand ist bei Beendigung des Mietverhältnisses, aus welchem Grund immer im ordnungsgemäßen Zustand, dh wie bei Mietbeginn übernommen, jedenfalls neu ausgemalt zurückzustellen. Ansonsten ist der Vermieter berechtigt, die diesbezüglichen Instandhal-tungskosten dem scheidenden Mieter in Rechnung zu stellen.“
Der 7. Senat beurteilte diese Klausel deshalb als unzulässig, weil der Mieter bei der gebotenen konsumentenfeindlichsten Auslegung jegliche (auch noch so unerhebliche) Gebrauchsspuren beseitigen müsste. Im Übrigen werde dadurch gegebenenfalls auch die Erhaltungspflicht des Vermieters überwälzt, was im Vollanwendungsbereich des MRG gegen § 3 MRG, im Teilanwendungsbereich bei einem Konsumenten gegen § 9 Abs 1 KSchG verstoße.
Die Begründung bezieht sich somit erkennbar auf die generelle Verpflichtung des Mieters zur Rückstellung im ordnungsgemäßen Zustand, also etwa auf seine Verpflichtung, auch ernste Schäden im Objekt bei Mietvertragsende beheben zu lassen, nicht aber isoliert betrachtet auf die Ausmalverpflichtung: Das zeigt der Verweis auf einen möglichen Verstoß gegen § 3 MRG, der – wie bereits dargelegt – hier jedenfalls keine Rolle spielen kann, weil sich § 3 Abs 2 MRG gerade keine Verpflichtung des Vermieters entnehmen lässt, ein Mietobjekt in regelmäßigen Abständen neu ausmalen oder neu versiegeln zu lassen.
Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass – entsprechend der bisherigen Rsp – eine Verpflichtung des Mieters zur Zurückstellung eines neu ausgemalten Objektes zulässig vereinbart werden kann.
Auch wenn man zugrunde legt, dass die Übernahme der hier zu beurteilenden Ausmal- und Versiegelungspflicht funktionell eine Mietzinsleistung des Mieters darstellt, die sich daher an den gesetzlichen Mietzinsobergrenzen messen lassen muss, ist für die Bekl nichts gewonnen:
Dass durch die Übernahme der – ziffernmäßig bestimmbaren – Ausmal- und Versiegelungspflicht Mietzinsgrenzen (hier: angemessener Hauptzins nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG) überschritten worden wären, wurde gar nicht behauptet.
Es verbleibt daher eine Überprüfung des von der Bekl erhobenen Einwandes der Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung.
Sittenwidrigkeit einer Vertragsbestimmung iSd § 879 Abs 1 ABGB liegt nur vor, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt (RIS-Justiz RS 0045886).
Davon kann hier keine Rede sein: Nach dem zwischen den Parteien nicht strittigen Mietvertragsinhalt wurde das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Situation, dass ein Mieter, der einen bloß auf kurze Zeit befristeten Vertrag schloss, nach Beendigung des Vertrages neu ausmalen und versiegeln muss, ist daher nicht zu beurteilen. Vielmehr endete
das Mietverhältnis durch Eigenkündigung der Bekl. Überdies steht fest, dass das Mietobjekt der Bekl neu ausgemalt und versiegelt übergeben wurde. Die Tatsache, dass die Bekl den Mietgegenstand neu ausgemalt und versiegelt übernahm rechtfertigt aber auch das Interesse des Vermieters, das Objekt in eben diesem Zustand zu übernehmen, um es ohne weitere Verzögerungen und Kosten wieder neu vermieten zu können. Die bloße Abweichung der Vereinbarung von der dispositiven Bestimmung des § 1109 ABGB – die erst durch die Rsp entgegen ihrem Wortlaut berichtigend dahingehend ausgelegt wurde, dass der Bestandge-ber die „normale“ Abnutzung hinzunehmen hat – begründet noch keine Sittenwidrigkeit.
Die von der Bekl übernommene Ausmal- und Versiegelungspflicht ist somit als zulässig zu beurteilen.
Kommt aber der Bestandnehmer seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht nach, ist der Bestandgeber berechtigt, den Ersatz der Kosten der Herstellung dieses Zustandes zu verlangen (RIS-Justiz RS 0020788).